Fotogeschichte

Inszenierte Ausschnitte aus der Realität

Caritas in Stiefeln, Winterhilfswerk 1937/38 in Eschweiler
Caritas in Stiefeln, Winterhilfswerk 1937/38 in Eschweiler. Foto: Alfred Englaender, Katalog Nr. 289.

Unter technischen Aspekten bezeichnet "Fotogeschichte" die Geschichte von der Entwicklung der Fotografie, von der Entdeckung der Camera obscura und der Laterna magica, vom Nachweis der Lichtempfindlichkeit von Silbernitrat über das erste bekannte Direktpositiv bis zur Digitalfotografie.

Fotogeschichte befasst sich aber auch mit der Organisationsgeschichte des Mediums Foto, seines Gebrauchs und seines Missbrauchs. Denn Fotos sind Artefakte und können inzenierte Realitäten liefern, Ausschnitte aus der Realität wie der Fotograf sein Publikum die Realität sehen lassen will. Dieser Art Fotogeschichte gehe ich nach, den Anschein hinter dem Schein eines Fotos zu erkennen und aus Bilddetails und unter Zuziehung von Sekundärquellen komplexere Zusammenhänge aus einem historischen Foto als auch Realitätsfälschungen und soziale Manipulationen zu erschließen.

Mein erster Playground war die Bildstelle des Eschweiler Geschichtsvereins. Dort habe ich rund 1000 Fotos untersucht, formalerschlossen und annotiert, darunter alle bis 2017 auf der Website des Eschweiler Geschichtsvereins erschienenen historischen Fotos, die ich im Kontext der Strukturgeschichte Eschweilers dargestellt habe. Daraus ist eine Eingrenzung des Themas auf die 1920er- bis 1960er-Jahre entstanden.

Veröffentlichungen:

Unheimliche Idylle: Heimat-Fotografie als NS-Bildpropaganda und ihre Rezeption
Eine Studie über die scheinbar unverfängliche Heimat-Fotografie und die Rezeption in der Gegenwart
Fotokatalog Englaender
Eine Datenbank zu mehr als 550 verifizierten, formalerschlossenen und annotierten Fotos aus den Jahren 1934 bis 1950, aufgenommen in Kreis und Stadt Aachen, in der Eifel, in Köln und im Rhein-Sieg Kreis

Kalendariographie

Annotierte Taschenkalender

AGM-Taschenkalender 2022, Cover
AGM-Taschenkalender 2021, Cover
Einbandmotive von Roland Mertens und Franz Hüllenkremer

Die von mir entwickelten Kalender dienen zunächst einem praktischen Zweck, natürlich dem, persönliche Termine zu planen und zu verwalten. Dabei kann man hier gleich die Wetterprognose, die Tageslichtverhältnisse und Ereignisse der Himmelsmechanik einbeziehen.

Als "Terminer", als Bürokalender, sind sie unter­dessen weniger gedacht, mehr als Vademecum für den privaten Gebrauch.

Denn diese Kalender lenken ab, weil sie auch stets "Lesekalender" sind. Sie befassen sich in Memoranden, Essais, Artikeln, Kunstdrucken, Karten und Schaubildern mit Geschichte, Kultur und Volksglaube im westlichen Rheinland. Zahlreiche Verweise machen ein "Querlesen" möglich. Damit sind diese Kalender zugleich praktische Alltagsutensilien und Geschichtsbücher und Nachschlagewerke. Nicht zuletzt sind sie für das westliche Rheinland identitätsstiftend.

Bislang erscheinen die Kalender im Verlag Arbeitskreis Geschichte Mausbach und sind über diesen oder im örtlichen Buchhandel zu beziehen.

Veröffentlichungen und Materialien:

Auf dem Zeitpfeil von der Römerzeit bis gestern. AGM-Kalender 2021, ISBN 978-3-00-066023-8
Ereignisgeschichte im Gressenich/Stolberger Raum, in Essais und in am Jahreslauf abgebildeten Memoranden
Brauch, Kult und Volksglaube im Jahreskreis. AGM-Kalender 2022, ISBN: 978-3-9823390-0-9
Volkskunde für das westliche Rheinland, in Essais, Artikeln und in am Jahreslauf abgebildeten Memoranden
Beiheft zum AGM-Kalender 2022 mit Materialien

Umweltgeschichte

Undisziplinierte Studien

Dreifelderwirtschaft im LVR-Freilichtmuseum in Lindlar. Foto: Haro von Laufenberg
Dreifelderwirtschaft, Modellanlage im LVR-Freilichtmuseum in Lindlar, Oberbergischer Kreis

Heutige Umweltprobleme stellen komplexe Zusammenhänge dar, zu deren Entschlüsselung alleine aktualistische und technische Betrachtungen zu kurz greifen. Hier ist auch die historische Forschung gefragt, um zur Erklärung dieser Zusammenhänge beizutragen und daraus für eine nachhaltigere Zukunft zu lernen. So dient die Historische Klimatologie, also die Erforschung von Vergleichsdaten (historische Wetter-, Witterungs- und Klimaabfolgen) nicht nur der Unterstützung der Geschichtswissenschaften im Hinblick auf soziale Folgen und Wechselwirkungen, sondern auch der Analyse von Extremen und Wiederholbarkeiten und damit der Beurteilung prognostizierter Klimaänderungen. Die ist heute auch auf lokaler Ebene von vitalem Interesse, liefern doch historisch-klimatologische und historisch-hydrologische Vergleichsdaten wichtige Informationen für die Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung – für die Bauleitplanung, die Straßen- und Straßenverkehrsplanung und nicht zuletzt für die Unterhaltung der Gewässer und die Planung von Entwässerung, sowie für Land- und Forstwirtschaft.

Solcherart interdisziplinären, mithin "undisziplinierten" Studien in der Städteregion Aachen, speziell in dem alten Landkreis Aachen, ist das Projekt gewidmet. Ursprünglich war die Erzeugung eines historischen Geo-Informationssystems für das Gebiet der heutigen Stadt Eschweiler und näherer Randgebiete und die Darstellung dieses Raums in Zeitschichtenkarten. Da das Projekt beim Eschweiler Geschichtsverein verortet war, dieser das Thema dann jedoch ganz abgestoßen hat, habe ich dieses Ziel für Eschweiler zumindest ohne die zunächst avisierte Ressourcen-Unterstützung aufgegeben, das Thema indes nicht. Eine Quellensammlung konzentriert sich nun zunächst auf die Zeit der Agrar- und Forstreformen an der Wende zur Industrialisierung der Landschaft unter besonderer Berücksichtigung der Gemeinheitsteilungen bis zum Ende des Stein- und Braunkohlebergbaus im Aachener Revier. Daten zur Klimageschichte der Region werden zudem in das Tambora-Projekt der Universität Frei­burg übertragen und sollen schließlich unter einem Digital Object Identifier (DOI) zusammengefasst werden.

Veröffentlichungen:

Der "Blaue Tod": Die Cholera-Epidemien des 19. Jahrhunderts
Zur Wirkung im alten Landkreis Aachen und mit einem geologischen Erklärungsansatz über die Verbreitung im Gressenicher Raum.
Die Industrialisierung der Landschaft
Über die Gemeinheitsteilungen seit der kurpfälzischen Forstreform von 1776 bis zu den Folgen der preußischen Gemeinheitsteilungsordnungen von 1821 und 1851.

Messer-Lexikon

Dingbedeutsamkeiten/Realienkunde

Haintz Nar, dem "im Arsch das Schindermesser sticht", Illustration zu Kap. 6 "Das Narrenschiff" von Sebastian Brant
Haintz Nar, dem "im Arsch das Schin­der­messer sticht" [über das Altern] (Sebastian Brant (1494): Das Narrenschiff, Kap. 6.). Bild: Wikimedia Commons.

In der Architektur der Sicherheitsgesellschaft wird einer der frühesten Artefakte der Menschheit, der über hundertausende Jahre gleichermaßen als sechster Finger des Menschen gegolten hat, zunehmend argwöhnisch betrachtet: das Messer. War es für die "Fünf Freunde" in den Kinderromanen von Enid Blyton noch selbstverständlich, ein Messer in der Tasche zu haben, so gibt es heute Trageverbote und die Tendenz geht weiter in Richtung Registrierung und Überwachung. Schon das Plastik-Messer im Micky-Maus-Heft 9/2018, das eventuell noch zum Pudding-Schneiden taugt, echauffiert die Polizei. In der Bilanz der ernsthaften Straftaten mit dem Messer dagegen steht das Küchenmesser in vorderster Front: Nahezu 90 % solcher Straftaten werden mit Küchenmessern verübt. Das wirft die Frage auf, ob hier nicht schon per se reguliert werden soll. Denn das Beisichführen eines Messers war seit jeher auch Ausdruck einer gewissen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.

Für mich ist das Anlass gewesen, einmal die Geschichte dieses Gebrauchsgegenstands und die Rolle, die er im Alltagsleben gespielt hat, näher zu untersuchen. Herausgekommen ist zunächst eine Zettelsammlung, die nun zu einem Lexikon von A wie "à jour" und "Aberglaube" bis Z wie "Zachel" und "Zwinge" zusammengeführt wird.

Das Lexikon beschreibt Messertypen, ihre Entwicklung und ihren Gebrauch über den Zeitraum vom ersten bekannten Fingerabdruck eines Menschen – im Birkenteer eines Messerhefts der Steinzeit – bis zum EDC, dem "Every-Day-Carry"-Messer unserer Tage, vom Werkzeug bis hin zum Accessoire, vom groben Mordmesser wie beim Mazzatello bis hin zum Mikrotommesser in Heilkunde und Wissenschaft. Es beschreibt Materialien für Klingen vom Silex bis zum modernen Stahlschlüssel einschließlich der Umschlüsselung internationaler Normierungen, für Hefte aus Bein und Holz bis zum Hi-Tech-Kunststoff.

Das Lexikon beschreibt aber auch das Messer in der Erinnerungskultur, in der Semiotik, wie es weiter und noch in unsere heutige Sprache in Redewendungen und Sprichwörtern, aber auch in Aberglaube und Kunst eingegangen ist.

Die Nutzung des Lexikons erfordert eine Registrierung.

Biedermeier und Vormärz im alten Landkreis Aachen

Neuere Geschichte 1815 - 1847

Karl Eduard Biermann: Borsig's Maschinenbauanstalt. Berlin 1847. Öl auf Leinwand, 110 x 116,5 cm
Karl Eduard Biermann (1847): Borsig's Maschinenbauanstalt. Öl auf Leinwand. Contumax/Yorck Project
Die Zeit zwischen dem Wiener Kongress 1815 und der Märzrevolution 1848/49 gehört zu den spannungsreichsten der deutschen Geschichte: Immens beschleunigte politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Veränderungsprozesse in einem Klima von Verfolgung und Unterdrückung und Not stießen auf starke Beharrungskräfte und schließlich auch auf das "umhergehende Gespenst des Kommunismus" (Karl Marx/Friedrich Engels, 1848). "Aufbruch aus der Behaglichkeit" (Gerhard Schildt, 1989) oder "Ende der Wildnis" (Rainer Beck, 2003) sind Charakterisierungen, auf die im Biedermeier mit einer Flucht in die Innerlichkeit, im Vormärz mit Liberalismus reagiert wurde. Unterdessen wurden mit der Industrialisierung Entwicklungen begründet, die aus heutiger Sicht "die Menschheit in ihrer Existenz bedrohen" (Stephen Hawking 2016, 2018 in der BBC).

Mit dem Projekt wird aus Literatur und eigener Quellenforschung eine Milieudarstellung und Charakterzeichnung für den alten Landkreis Aachen und mithin früheste Industrieregion Deutschlands versucht. Ausgangspunkt ist das Elendsjahr "Achtzehnhundertunderfroren", 1816, das "Jahr ohne Sommer", von dem besonders notleidend die Eifel betroffen war, in dessen Folge aber auch z.B. skurrile Veränderungen im Tageslicht auftraten, die sich u.a. auf bildende Kunst und Mode auswirkten. Endpunkt ist das "unruhige Dreieck Stolberg, Verviers, Eupen" (Annemarie Haase, 2000) und die sich um 1850 verfestigte Industrialisierung.

Das Projekt habe ich beim Arbeitskreis Geschichte Mausbach e.V. verortet. Der Verein betreibt das "5-Dörfer-Archiv", in dem "Memorabilien aus allen fünf Dörfern der ehemaligen Gemeinde Gressenich, d.h. den Orten Gressenich, Mausbach, Schevenhütte, Vicht und Werth" gesammelt werden. Die bis 1972 (Aachen-Gesetz) selbstständig bestehende Gemeinde Gressenich war flächenmäßig (41,32 qkm) die größte ihrer Art im alten Landkreises Aachen.