Mythen ums Gold

Exkurs zu: Schrot und Korn

Drachen

Infolge seiner Schwere ist das Gold auf der jungen, noch nicht mit einer Kruste bedeckten Erde ins Erdinnere gewandert. Von da aus gelangt es, soweit es nicht von Meteoriten in einer späteren Erdphase transportiert worden ist, durch die Tektonik und den Vulkanismus auf die Erde, wo wir es finden und abbauen können.

Wenn da, wo Vulkane sind oder waren, Gold zu finden sein mag, dann könnte dies ein Erklärungsansatz für europäische Drachenmythen sein. Denn die Drachenfigur darin ist menschenfeindlich und vernichtend. Grundsätzlich schläft der Drache endlos lange, doch wenn er erwacht, spukt er Feuer, und er hortet Gold – welcher Drache auch immer, sie tun es alle. Der Drache könnte also ein Synonym für Vulkanismus sein.

Fafner z.B., der Drache aus der Nibelungensage, wachte über das Rheingold, bevor er von Siegfried erledigt wurde. Das muss nicht gerade eine Reminiszenz an das Siebengebirge und den letzten Ausbruch dort im Miozän sein. Es gibt wohl ein kollektives Gedächtnis, wie schon Friedrich Schiller über den Dreißigjährigen Krieg bemerkte. Der letzte Ausbruch bei Maria Laach liegt wohl rund 13000 Jahre zurück, muss hier aber gar nicht bemüht werden. Denn Elemente der Nibelungensaga kommen auch in isländischen Überlieferungen vor, und in Island gibt es immer noch aktive Vulkane. Sogar Gold hat man dort gefunden, z.B. 2013 am See Hafravatn südlich von Reykjavík.

Zwerge und Berggeister

Unsere Zwergensagen dagegen mögen zu einem Teil immerhin zeitlich weniger weit weg ins spätere Mittelalter auf die Prospektion der zentraleuropäischen Mittelgebirge durch die Venezianer zurückgehen. Diese hatten sowohl einen gesteigerten Bedarf an Gold als auch an Kobalt. Gold, weil dies das Zahlungsmittel im Fernhandel mit dem Orient, der Venedig prosperieren ließ, war, der Absatzmarkt in Europa indes mit Silber bezahlte. Kobalt des blauen Glases, dem Exportschlager Venedigs, wegen, weil die Lagerstätten erst im 17 Jh. umfassend bekannt gewesen sind.

Der Rat der Zehn (eine Art Ministerium, ursprünglich Polizeibehörde in Venedig) sandte also Prospektoren aus, und die hatten auffällige Ähnlichkeit mit sagenhaften Zwergen:

Diese Leute waren klein, das ist in Italien eher üblich, und noch kleiner, weil eine geringe Körperlänge für den Bergmann unter Tage von Vorteil ist, und die venezianischen Prospektoren waren Bergleute. Als solche trugen sie auch die bekannte Zwergenmütze. Denn die hohe, mit Stroh ausgefüllte Mütze war im Mittelalter und schon bei den Kelten quasi der Schutzhelm der Bergleute; eine Kopfbedeckung, die im Dunkel in der Tiefe des Bergs vor zu niedrigen Deckenhöhen warnte.

Die Venezianer waren zudem gehalten, im Verborgenen tätig zu sein, und hätten sich, wenn es ginge, sicher unsichtbar gemacht, so wie das bei Zwergen üblich ist. Denn falls sich dem Landesherrn zutrüge, was in seinem Hoheitsgebiet betrieben und gefunden wurde, war wohl zu erwarten, dass der sich eher selbst darum kümmerte, als die Ausbeute anderen zu überlassen, wenigstens doch die Hand weit aufhielte. So waren z.B. die Goldwäscher am Rhein in der Kurpfalz per Mandat angehalten, das gefundene Gold ausschließlich dem Kurfürsten zu verkaufen, der selbstverständlich den Preis selber festsetzte.

Schließlich hinterlassen die Zwerge, wenn man sie nicht behelligt und nicht verpetzt, der armen Landbevölkerung reiche Schätze, was sich im Fall der venezianischen Prospektoren aus der Sache selbst heraus erklärt.

Denkbar wäre ein solcher Hintergrund evtl. auch für die guten, indes eher großen bis riesigen Berggeister: Hier führte die gute Tat zu einer Überhöhung der Figur.

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